Die Diagnose rheumatoide Arthritis bedeutet für viele einen großen Einschnitt im Leben. Man steht plötzlich vor der Aufgabe, mit körperlichen Symptomen zurechtzukommen – aber auch die Krankheit und ihre Auswirkungen psychisch zu bewältigen. Doch wie gelingt das bestmöglich?
Das weiß Dr. Julia Fuchs durch ihre 20-jährige Arbeit als Fachärztin für Innere Medizin und Rheumatologie. Hier verrät sie uns ihre besten Ratschläge zum Thema Krankheitsbewältigung.
Krankheitsbewältigung: Was ist das?
Die Diagnose rheumatoide Arthritis stellt bei vielen erst mal das Leben auf den Kopf. Mit der Zeit entwickeln Betroffene aber ganz individuelle Strategien, um mit der Erkrankung umzugehen. Das fasst man unter dem Begriff „Krankheitsbewältigung“, auf Englisch „Coping“, zusammen.
Immer mehr Studien zeigen, dass bei PatientInnen, die gute Coping-Strategien entwickeln, der Behandlungserfolg langfristig besser ist, weiß Dr. Fuchs. Daher ist es wichtig, sich aktiv um die Krankheitsbewältigung zu kümmern.
Verarbeitung Schritt für Schritt
Nach der Diagnose durchlaufen Betroffene unterschiedliche Phasen der Bewältigung, erklärt Dr. Fuchs: Als erstes erfolgt eine schnelle Bewertung, die für viele Betroffene durch den Schock der Diagnose erstmal negativ ausfällt. Ist dieser erstmal verdaut, beginnen Betroffene genauer über die neue Situation nachzudenken und auszuloten: Was kann ich jetzt tun? Was bedeutet die Diagnose für mein Leben?
Im Anschluss daran kann die Bewältigung erfolgen. „Erst hier beginnen sich alle PatientInnen, die mit einer chronischen Diagnose konfrontiert wurden, eigene Strategien zurechtzulegen.“, weiß Dr. Fuchs. Dabei werden Betroffene natürlich von den behandelnden ÄrztInnen unterstützt. Die Bewältigung ist jedoch ein fortlaufender Prozess, denn abhängig von den Umständen und dem Therapieerfolg bewerten die PatientInnen die aktuelle Situation immer wieder neu.
Strategien der Bewältigung
Es gibt zwei Haupt-Herangehensweisen, um mit einem Problem umzugehen und eine Krankheit zu bewältigen, erklärt Dr. Fuchs:
- Problemorientiert – fight or flight
Hier greift man eher auf ein archaisches Reaktionsmuster zurück: Man versucht entweder vor der Diagnose davonzulaufen oder gegen sie anzukämpfen. Dabei ist die Einstellung oft: Die Krankheit interessiert mich nicht. Oder: Der Krankheit werde ich es zeigen. Eine Reaktion kann hier auch sein, sich zurückzuziehen und zu isolieren. - Emotionsorientiert – die Suche nach Lösungen
Bei dieser Strategie versuchen Betroffene, sich stärker psychisch mit ihrer Erkrankung auseinanderzusetzen. So stellen sie sich etwa die Frage: Was kann ich selbst beeinflussen, damit es mir mit der Erkrankung besser geht? Im Gegensatz zu der problemorientierten Strategie steht hier verstärkt die Akzeptanz und Beschäftigung mit der Erkrankung im Vordergrund. „Die emotionsorientierte Herangehensweise ist die, die langfristig mehr von Erfolg geprägt ist.“, meint Dr. Fuchs.
Was kann man selbst tun, um die Krankheit besser zu bewältigen?
Dr. Fuchs empfiehlt:
- Zimmern Sie sich Ihren ganz persönlichen Aktionsplan zurecht.
Das bedeutet: Überlegen Sie sich Strategien, um auf die Bereiche der Erkrankung, die Sie beeinflussen können, aktiv einzuwirken. „Ich kann nicht das Faktum beeinflussen, dass ich die Erkrankung habe. Aber es gibt ganz viele Komponenten der Erkrankung, die man beeinflussen kann.“, so Dr. Fuchs. Beispielsweise kann man sich zum Ziel setzen, seinen Alltag möglichst gesund zu gestalten: Also auf eine gesunde Ernährung zu achten und sich regelmäßig zu bewegen. Seien Sie aber auch nicht zu streng mit sich, falls Sie mal vom Plan abweichen.
- Verbannen Sie Energieräuber aus dem Alltag.
„Ein weiterer wichtiger Punkt in der Bewältigung ist: Unnötiges aus dem Alltag zu streichen.“, so die Ärztin. Sie rät eine Bewertung vorzunehmen: Schreiben Sie mal mit, was Sie den ganzen Tag über tun. Fragen Sie sich: Was mache ich nur, um anderen einen Gefallen zu tun oder weil ich es gewohnt bin? Was wäre delegierbar? Bei allem, was einen belastet, muss man lernen „nein“ zu sagen, so Dr. Fuchs. Denn der Umgang mit einer chronischen Erkrankung braucht viel Energie, sodass man andere unnötige Dinge, die einem Kraft rauben, vermeiden sollte. - Umgeben Sie sich mit Leuten, die Ihnen guttun.
Verbannen Sie vermeintliche Freunde aus Ihrem Kreis, die nur Energie rauben und verbringen Sie lieber Zeit mit Menschen, die Sie gerne haben. Wichtig ist auch eine offene Kommunikation in der Familie. Verbergen Sie Krankheitsbezogenes nicht vor Ihren Liebsten, sondern binden Sie sie ein. - Kümmern Sie sich gut um sich.
Das Thema Self-Care ist für Dr. Fuchs bei chronischen Erkrankungen eine der wichtigsten Säulen der Behandlung. Das bedeutet: Auf sich selbst und die eigene Gesundheit achten und sich Zeit für Dinge nehmen, die einem gut tun. Zum Beispiel, indem man sich Zeit nimmt, etwas Gesundes für sich zu kochen, statt immer nur schnell unterwegs eine Wurstsemmel zu essen.
Will man sich gut um sich selbst kümmern, gehört für Dr. Fuchs erfreulicherweise auch eines regelmäßig dazu: gesundes Faulenzen. Also nehmen Sie sich auch mal bewusst Zeit zum ausgiebigen Entspannen. - Belohnen Sie sich selbst.
„Es ist extrem wichtig, dass man sich selbst auf die Schulter klopft und betont, wenn man etwas gut macht.“, meint die Ärztin. Also gönnen Sie sich regelmäßig etwas Schönes, wenn Sie etwas gut gemeistert haben – etwa nach Arztbesuchen oder wenn es Ihnen gelungen ist, eine Woche Ihre Vorsätze gut einzuhalten. Das muss nichts Materielles sein: Treffen Sie zum Beispiel einen lieben Freund oder nehmen Sie sich Zeit für Ihr Hobby. Oder tun Sie mal etwas Neues, das Sie schon immer mal machen wollten. Das lenkt die Gedanken von der Krankheit weg, weiß die Ärztin.
Hilfe bei der Bewältigung
Sie sind im Umgang mit der Erkrankung nicht auf sich alleine gestellt. Dr. Fuchs rät, sich ein ganz persönliches Gesundheits-Team zusammenzustellen: Dazu gehören natürlich die behandelnden RheumatologInnen, aber auch andere Gesundheitsexperten wie Physio- und ErgotherapeutInnen. Zusätzlich spielt das persönliche Umfeld mit Familie und Freunden eine bedeutsame Rolle.
Besonders wichtig ist zudem, auf die mentale Gesundheit zu achten: „Jede physische Erkrankung macht auch etwas mit der Psyche eines Patienten.“, so Dr. Fuchs. Psychische Probleme gilt es genauso wie körperliche zu behandeln. Dr. Fuchs empfiehlt: Sprechen Sie Probleme bei der Bewältigung gegenüber Ihren BehandlerInnen aktiv an. Trauen Sie sich Fragen zu stellen wie: Wer kann mir bei der mentalen Gesundheit helfen? BehandlerInnen und auch Selbsthilfegruppen können Betroffene dabei unterstützen, die richtigen Spezialisten für ihre Probleme zu finden.
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