Die Präsidentin der Rheumaliga Frau Schaffer erklärt wichtige aktuelle Anliegen und gibt Tipps, um Betroffenen das Leben mit der Erkrankung zu erleichtern.
Im ersten Teil des Interviews hat uns Frau Schaffer bereits erzählt, wie die Rheumaliga entstanden ist und welche Angebote sie Betroffenen bietet. Hier beschreibt sie, wofür sich die Selbsthilfeorganisation aktuell besonders einsetzt und gibt Betroffenen Tipps.
Arztgespräch auf Augenhöhe
Ein besonders Anliegen ist, dass sich Betroffene bei ihren ÄrztInnen gut aufgehoben fühlen. „Jede Selbsthilfegruppe kämpft dafür, dass die Arzt-Patienten-Kommunikation verbessert wird“, so Frau Schaffer. Sie fasst zusammen, was für eine gute Gesprächsbasis zwischen ÄrztInnen und Betroffenen besonders wichtig ist: „Zeit und Verständnis. Viele Patienten fühlen sich überhaupt nicht angenommen. Sie haben das Gefühl, der Arzt hört ihnen beim Gespräch nicht zu. Und dann hören sie auf, sich zu öffnen.“ Oft haben PatientInnen auch das Problem, dass sie die Fachsprache der ÄrztInnen nicht verstehen, meint Frau Schaffer: „Viele Leute sagen in den Selbsthilfegruppen: Wenn der Doktor redet, verstehe ich nur Bahnhof. Der Arzt hat auch oft nur fünf bis sieben Minuten Zeit für das Gespräch.“
Individuelle Behandlung – essenziell für den Therapieerfolg
Es wäre aber so wichtig, dass man als PatientIn das Gefühl hat, dass sich ÄrztInnen genug Zeit nehmen, um offene Fragen zu besprechen und dass sie individuell auf Betroffene eingehen. Besonders bei der Gestaltung der Therapie sollten PatientInnen miteinbezogen werden, so Frau Schaffer: „Denn der Patient muss die Therapie schließlich mittragen und dazu muss er auch mitentscheiden können. Es geht ja nicht nur um ein paar Zuckerl, die man bekommt, sondern um starke Medikamente.“
Wenn ÄrztInnen hierbei zu wenig auf Betroffene eingehen und Fragen zur Therapie nicht ausreichend beantworten, nehmen nach Frau Schaffers Erfahrung viele Betroffene ihre Medikamente nicht mehr so ein, wie vom Arzt verordnet. Doch sie warnt: „Es hat keinen Sinn, wenn man die Medikamente nicht regelmäßig nach Vorschrift einnimmt – denn dann können sie nicht so wirken wie sie sollten.“ Viele suchen laut Frau Schaffer auch nach alternativen Möglichkeiten und greifen beispielsweise zu diversen Nahrungsergänzungsmitteln. Aber auch damit kann man den Körper schädigen, wenn man sie nicht unter ärztlicher Beratung und in der richtigen Dosis einnimmt, weiß sie.
Es gibt nicht nur die eine Therapie
Wenn man sich mit einer verschriebenen Therapie nicht so wohlfühlt, sollte man auf keinen Fall die Therapie selbstständig absetzen. Stattdessen empfiehlt Frau Schaffer, das mit seinem Arzt beziehungsweise seiner Ärztin zu besprechen. Denn heutzutage gibt es zum Glück eine breite Palette an Medikamenten und Therapie-Möglichkeiten und vielleicht ist eine andere passender.
Diagnose – je früher, desto besser
Ein weiteres Anliegen der Rheumaliga ist, dass es einfacher für Betroffene wird, die Diagnose schnell gestellt zu bekommen. Denn Frau Schaffer weiß: „Wichtig ist, dass man früh zum Arzt kommt, sodass man frühzeitig eine Therapie-Einstellung erhält und dass man diese auch mit seinem Arzt gemeinsam besprechen kann.“
Leuten, die (noch) nicht mit Rheuma diagnostiziert wurden, aber typische Symptome bemerken, rät sie daher: “Warten Sie nicht zu lange: Wenn man Schmerzen an den Gelenken hat und an geschwollenen oder geröteten Fingern oder Morgensteifigkeit leidet, sollte man so bald wie möglich einen Arzt oder eine Ärztin aufsuchen und das abklären lassen. Eine frühe Therapie hilft dabei, dass die Entzündung sich nicht ausbreitet und die Erkrankung nicht zu schwer ausbricht.”
Sorge um die Arbeit?
Besonders häufig richten Betroffene Fragen zum Thema Arbeit an die Rheumaliga: „Junge Menschen haben oft Angst, dass sie die Arbeit verlieren, wenn sie bekanntgeben, dass sie eine rheumatische Erkrankung haben. Kürzlich war auch die Frage aktuell, ob Betroffene ins Homeoffice gehen können, ob sie dafür eine Freistellung bekommen oder wo sie eine Umschulung machen können und wie die Bezahlung danach ist.“
Frau Schaffer stellt klar: Sie müssen Ihren Arbeitgeber beziehungsweise Ihrer Arbeitgeberin nicht über Ihre Rheuma-Erkrankung informieren, wenn Sie nicht wollen. Es kann aber bei einem guten Verhältnis mit dem oder der Vorgesetzten oft positiv sein, offen darüber zu sprechen, meint Frau Schaffer. So ist es beispielsweise für den Arbeitgeber leichter verständlich, wenn man krankheitsbedingt öfter ausfällt.
„Man kann bei einigen Betrieben auch Vorteile dadurch haben, dass man die Erkrankung offenlegt. Falls man gewisse Arbeiten nicht machen kann, ist es beispielsweise möglich, eine andere Stelle zu bekommen, durch die man eine Erleichterung hat – beispielsweise im Büro statt im Außendienst. Eventuell bekommt man auch Hilfsmittel zur Verfügung gestellt, wie etwa besseres Arbeitsmaterial.“ Auch Home-Office ist oft eine Option für Personen, denen es aufgrund der Rheuma-Erkrankung leichter fällt, zu Hause zu arbeiten.
Neue Wege gehen
Natürlich ist das aber nicht bei jedem Job möglich. In dieser Situation gibt es auch die Option einer Umschulung. Auch Stunden zu reduzieren ist für viele eine Erleichterung. Laut Frau Schaffer wäre es daher wichtig, dass mehr Möglichkeiten für Teilzeitarbeit und geringfügige Anstellung geschaffen werden, die angemessen bezahlt sind.
Arbeitslos – was nun?
Auch müssen unbedingt bessere Lösungen für Menschen mit Rheuma geschaffen werden, die aufgrund ihrer Symptome nicht mehr arbeiten können, meint Frau Schaffer. Denn meldet man sich arbeitslos, muss man, um Arbeitslosengeld zu erhalten, regelmäßig nachweisen, dass man sich um Anstellung bemüht und Jobs annehmen, selbst wenn die Symptome das Arbeiten eigentlich gar nicht zulassen, so Frau Schaffer.
Bei schweren Fällen kann es helfen, einen Behindertenpass zu beantragen. Was für Begünstigungen es für Menschen mit Behinderung gibt, können Sie etwa auf der Seite des ÖZIV Bundesverbandes nachlesen. Die Rheumaliga setzt sich auch in der Politik stark für bessere Lösungen für chronisch erkrankte Personen in der Arbeitswelt ein.
Die 3 wichtigsten Tipps von Frau Schaffer:
1. Geben Sie nicht auf.
Für Frau Schaffer meint: „Wir haben nicht nur Pflichten, sondern auch Rechte als Erkrankte.“ Setzen Sie sich also auch für Ihre Rechte ein. Trauen Sie sich zum Beispiel nachzufragen, wenn Ihnen im Arzt-Patienten Gespräch etwas nicht klar genug erklärt wurde.
2. Bereiten Sie sich auf Arzt-Gespräche vor.
Notieren Sie sich wichtige Fragen und stellen Sie diese zuerst. Man kann zum Beispiel fragen: Brauche ich dieses Medikament noch oder sollten wir die Therapie umstellen? Und was gibt es für weitere Therapien oder Möglichkeiten, die ich in Anspruch nehmen kann?
3. Suchen Sie Anschluss zu anderen Betroffenen.
Vergessen Sie nicht: Sie sind nicht alleine mit der Erkrankung. Frau Schaffer empfiehlt, Kontakt zu anderen Betroffenen aufzunehmen, um von ihren Erfahrungen zu profitieren: „Wenn man Kontakt aufnimmt und über die Erkrankung redet, kann man sich aus den Gesprächen das herausholen, was für einen am besten ist. Ich glaube, so kann man lernen, ganz gut mit der Krankheit umzugehen.“
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Titelbild: © Robert Kneschke / AdobeStock
Foto: © Schaffer Gertraud