Die Ernährung spielt eine zentrale Rolle in unserem täglichen Leben. Umso wichtiger ist es, sie gesund zu gestalten – besonders für Menschen mit rheumatoider Arthritis. Welche Ernährungsweise dabei empfehlenswert ist, hat uns die Rheumatologin Frau Dr. Eichbauer-Sturm verraten.
Im ersten Teil des Interviews hat unsere Expertin bereits allgemeine Tipps dazu gegeben, wie Sie Ihre tägliche Ernährung gesund gestalten können. In diesem Teil reden wir unter anderem über das Thema Genuss und Sie erfahren, wie Sie herausfinden, welche Lebensmittel bei Ihnen einen Schub auslösen könnten.
1. Welche Vitamine und Mineralstoffe sind besonders wichtig für Menschen mit RA und wo stecken sie drin?
Besonders wichtig sind für Rheuma-PatientInnen vor allem die B-Vitamine sowie die Vitamine E und C. Die B-Vitamine wirken sich positiv auf die Nerven und das Blut aus und lassen sich meist gut über eine ausgewogene Ernährung decken. Veganer müssen allerdings speziell darauf achten, genügend Vitamin B12 zu sich zu nehmen, da dieses hauptsächlich in tierischen Produkten enthalten ist. Vitamin C wirkt antioxidativ und antiviral und ist in vielen Obst- und Gemüsesorten enthalten – zum Beispiel in Paprika, Brokkoli, Kiwis und Kohl. Auch fermentierte Lebensmittel wie Sauerkraut sind eine gute Quelle und wirken außerdem entzündungshemmend und immunstärkend. Vitamin E wirkt ebenfalls antioxidativ. Eine gute Quelle sind beispielsweise Weizenkeime und Olivenöl.
Menschen mit Rheuma sollten auch besonders darauf achten, dass sie genügend Magnesium, Kupfer, Selen und Kalzium zu sich nehmen. Magnesium stabilisiert die Zellen und wirkt krampflösend. Es steckt zum Beispiel in Nüssen, Weizenkeimen, Linsen oder Vollkorngetreide. Eine gute Quelle für Selen sind Paranüsse – mit zwei Paranüssen pro Tag können Sie gut Ihren Bedarf decken. Kalzium ist wichtig, um der bei Menschen mit RA öfter auftretenden Osteoporose vorzubeugen. Viel Kalzium ist in Milchprodukten, Kresse, Spinat und Mohn zu finden.
2. Wie kann man diese Nährstoffe am besten zu sich nehmen?
Ich empfehle, Vitamine und Mineralstoffe möglichst über die Nahrung und nicht über Tabletten aufzunehmen. Denn der Körper mag „Kraftstoff-Pakete” – also Vitamine in natürlichen Lebensmitteln wie Obst und Gemüse verpackt. Weil darin sind neben dem Vitamin meist auch viele andere wichtige sekundäre Pflanzenstoffe enthalten, die dafür verantwortlich sind, dass die Vitamine gut in unserem Körper eingebaut werden können. Normalerweise lassen sich alle Nährstoffe auch durch eine gesunde Ernährung decken.
3. Welche Lebensmittel sollte man mit RA eher meiden?
Ich würde empfehlen, Fertiggerichte möglichst zu meiden, denn diese stecken oft voller ungesunder Konservierungsstoffe und Transfette. Außerdem enthalten sie häufig zu viel Salz und Zucker und führen so leicht zu Übergewicht. Stattdessen sollte man möglichst unverarbeitete Lebensmittel einkaufen – am besten solche, die keine Inhaltsangabe haben wie etwa Gemüse. Auch frittierte Speisen sollten aufgrund des hohen Fettgehaltes weniger gegessen werden. Zusätzlich empfehle ich, auf Fleisch von industriell gezüchteten Tieren möglichst zu verzichten.
4. Wie wirkt sich Übergewicht bei Menschen mit RA aus?
Studien haben gezeigt: Übergewichtige PatientInnen sprechen schlechter auf die Therapie an, brauchen mehr Medikamente und früher Biologika als normalgewichtige. Das liegt daran, dass Übergewicht Entzündungsprozesse fördert. Denn man muss wissen: Fettgewebe produziert viele Entzündungsfaktoren. Für übergewichtige Menschen mit RA lohnt es sich also, das Gewicht zu reduzieren, da so die Therapie besser anschlägt. Will man abnehmen, sollte man sich damit aber etwas Zeit lassen und das Gewicht nicht zu schnell auf einmal reduzieren. Diäten sind meist kurzlebige Ernährungsformen – stattdessen ist es sinnvoller, langfristig auf eine gesunde Ernährung umzusteigen, die auch mit der Familie auf Dauer umsetzbar ist. Sport ist dabei auch eine sinnvolle Maßnahme, da er entzündungshemmend wirkt. So beugt er nicht nur Übergewicht vor, sondern beeinflusst den gesamten Krankheitsverlauf positiv.
5. Muss ich mich immer streng an die empfohlene Ernährung halten, oder darf auch mal Platz für Genuss sein?
Wichtig ist: Ernährung sollte keinen Stress bedeuten, sondern auch unbedingt Platz für Genuss lassen. Denn die Ernährungsform, die man für RA wählt, muss auch im Alltag gut auf Dauer umsetzbar sein. Bei einer zu strengen Diät gibt man meist früh auf – etwa wenn man sie aufgrund spezieller Ereignisse wie Feiertage nicht einhalten kann. Das gute ist aber: Eine gesunde Ernährung für Rheuma-Betroffene tut auch dem Rest der Familie gut und kann auch genussvoll sein. So sollte man etwa beim Alkohol zwar nicht mit der Menge übertreiben, aber ein Glas Wein darf man hin und wieder gern zum Essen trinken. Es gibt sogar eine Studie, die besagt, dass PatientInnen, die regelmäßig ein Glas Rotwein trinken, weniger Schmerzen haben.
6. Darf’s auch mal was Süßes sein?
Hin und wieder darf man sich gern auch etwas Süßes gönnen – die Menge macht’s. Dabei ist selber kochen und backen die Devise. Denn gekaufte Backwaren enthalten oft zu viel Zucker und schädliche Transfette, etwa in Form von Palmöl. Wenn Sie einen Kuchen selber backen, können Sie den Inhalt selbst bestimmen und etwa einen Teil des Zuckers durch süße Früchte ersetzen. Zuckerersatzstoffe würde ich eher nicht empfehlen, da sie Übergewicht und Diabetes fördern können. Wenn Sie der Schokoladenhunger packt, empfehle ich: Greifen Sie möglichst zu Bitterschokolade mit einem Kakaoanteil von 70 Prozent oder höher.
7. Tut älteren Menschen mit RA dieselbe Ernährung gut wie jüngeren?
Für ältere Menschen gilt eine besondere Ernährungsform: Sie sollten besonders eiweißreich essen. Durch das Alter und die Erkrankung verlieren sie nämlich sonst rascher Muskeln und dann kann es passieren, dass sie schneller bettlägerig werden. Das Thema liegt mir wirklich am Herzen, denn viele ältere Menschen sind unterernährt, leiden also unter einem Nährstoffmangel. Häufig nehmen sie zu wenig Eiweiß zu sich, weil ihnen oft geraten wird, kein Fleisch zu essen. Wenn dann aber stattdessen nicht viele pflanzliche Eiweißlieferanten wie Hülsenfrüchte auf dem Speiseplan stehen, führt das sehr schnell zu einem Eiweißmangel. Die Folge ist ein allgemeiner Schwächezustand, der sich Kachexie nennt. Ob dieser eventuell bei Ihnen vorliegt, können Sie mit einer einfachen Übung testen: Schaffen Sie es nicht, sich innerhalb von 20 Sekunden dreimal hinzusetzen und wieder aufzustehen, deutet das darauf hin.
Um dem vorzubeugen, sollten ältere Menschen möglichst 1,2 Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht am Tag zu sich nehmen. Diese große Menge ist oft über die normale Ernährung nur schwer zu decken, wenn man nicht täglich viel Fisch, Fleisch oder Hülsenfrüchte isst. Daher macht es Sinn, Eiweiß auch etwa in Form von Eiweiß-Shakes zuzusetzen. Auch sollten ältere Menschen besonders auf eine kalziumreiche Ernährung achten, um Osteoporose vorzubeugen und genügend Obst und Gemüse in die tägliche Ernährung einbauen.
8. Gibt es spezielle schubauslösende Nahrungsmittel bei RA?
Prinzipiell kann jedes Nahrungsmittel einen Schub auslösen. Wenn PatientInnen also wirklich wissen wollen, welches Lebensmittel speziell bei ihnen einen Schub auslösen könnte, rate ich, einen Diätologen oder eine Diätologin aufzusuchen. Diese/r erstellt einen Plan, nach dem man immer wieder gezielt Lebensmittel weglässt und wieder hinzufügt, um zu schauen, ob ein Schub ausgelöst wird. Dieser Prozess kann mehrere Monate dauern. Als einfachere Methode rate ich meinen PatientInnen: Wenn es Ihnen schlecht geht, schreiben Sie auf, was Sie am Tag zuvor gegessen haben. So kommt man nach einer Zeit drauf, falls ein Lebensmittel öfter der Auslöser ist.
Bei Antikörper-Tests, um Unverträglichkeiten aufzudecken, rate ich zur Vorsicht. Denn Allergietestungen auf bestimmte Nahrungsbestandteile sowie Nachweise von Serum-Antikörpern oder pathologische Lymphozytenproliferationstests auf Antigene aus bestimmten Lebensmitteln sind zur Diagnostik nicht geeignet. Sie sind oft teuer und bringen nichts. Die Antikörper zeigen nur an, dass man mit diesen Nahrungsmitteln mal in Kontakt gekommen ist – das sagt nichts darüber aus, ob man sie verträgt. Stattdessen rate ich, ein Ernährungstagebuch zu führen. Machen Sie sich dann am besten einen eigenen Termin mit einem Arzt oder einer Ärztin aus, der oder die sich auch mit dem Thema Ernährung befasst, um über Ihre Ernährungsgewohnheiten zu sprechen.
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Titelbild: © aamulya / AdobeStock