Die Corona-Pandemie hat uns im letzten Jahr in Atem gehalten und wirft viele Fragen für Menschen mit Rheumatoider Arthritis auf, wie: Gibt es Unterschiede zu den Empfehlungen für nicht Rheuma-Erkrankte? Wir wollen mehr Licht ins Dunkel bringen und haben daher den Facharzt für Innere Medizin und Rheumatologen Dr. Wolfgang Halder zu den wichtigsten Dingen, die Menschen mit Rheumatoider Arthritis zum Thema COVID-19 wissen sollten, befragt.
1. Hat man mit Rheumatoider Arthritis ein höheres Risiko, sich mit COVID-19 anzustecken?
Da entzündlich rheumatische Erkrankungen das Immunsystem betreffen, haben Menschen mit Rheuma generell ein höheres Risiko, sich mit Infektionen anzustecken. Es ist zu erwarten, dass dies auch bei COVID-19 zutrifft. Hierzu gibt es aber noch keine genauen Forschungsergebnisse, also muss man zukünftige Studien abwarten.
2. Ist im Fall einer Ansteckung für Menschen mit Rheumatoider Arthritis die Wahrscheinlichkeit größer, dass die COVID-19-Erkrankung schwerer verläuft?
Das ist bisher auch schwierig zu beantworten. Rein theoretisch ist es möglich. Man darf dabei die Rheumatoide Arthritis aber nicht isoliert sehen. Es kommt immer auf den Gesamtkontext an: Wie gut ist die Person medikamentös eingestellt? Wie hoch ist die Krankheitsaktivität? Sind zusätzlich zur Grunderkrankung Rheuma auch andere Erkrankungen – sogenannte Komorbiditäten – vorhanden? Also ich glaube, die generelle Aussage „Rheumatoide Arthritis ist gleich schwererer Verlauf einer COVID-Infektion“ ist sicher nicht zulässig.
3. Ist anzunehmen, dass eine COVID-19 Ansteckung den Rheuma-Verlauf beeinflusst?
Generell wissen wir, dass es bei ähnlichen Infektionskrankheiten im Anschluss an eine Infektion im Abstand von zwei bis vier Wochen immer wieder mal zu einer vorübergehenden Verschlechterung der Rheumatoiden Arthritis kommt. Daher ist es möglich, dass auch eine COVID-19-Infektion den Krankheitsverlauf derart beeinflusst.
4. Was waren besondere Herausforderungen für Menschen mit Rheuma in der COVID-19 Pandemie?
In den ersten Monaten der Pandemie wusste man zum Teil noch nicht: Wird es weiter genügend Medikamente für die Rheumatoide Arthritis geben? Auch war unklar, wie hoch das Risiko für Menschen mit Rheuma ist, sodass sich ein Großteil gar nicht getraut hat, vor die Türe zu gehen. Dazu kam, dass viele Ordinationen geschlossen waren und wenn überhaupt gab es nur die Möglichkeit der telefonischen Kontaktaufnahme. Das hat, denke ich, zu viel Unsicherheit geführt.
5. Muss man sich Sorgen darüber machen, dass es auch in Zukunft durch die Pandemie wieder schlechteren Zugang zu ärztlicher Versorgung geben könnte?
Nun sind alle Spezialambulanzen wieder in Betrieb und auch die meisten niedergelassenen Ärzte und Ärztinnen sind wieder verfügbar. Also glaube ich, mittlerweile hat sich alles soweit eingependelt, dass diese Dinge nun besser lösbar wären, falls sich die Situation der Fallzahlen nochmal verschlechtern sollte. Ich denke, die Lage mit Lockdowns, in denen weitläufig Arztpraxen geschlossen wurden und man die Leute gewarnt hat, nicht zum Arzt zu gehen, ist vorbei und es besteht hierbei kein Grund zur Sorge.
6. Mittlerweile gibt es die Option der COVID-19 Impfung. Ist für Menschen mit Rheumatoider Arthritis hierbei besondere Vorsicht geboten? Beziehungsweise gibt es bestimmte Dinge, die Rheuma-PatientInnen dabei besonders beachten müssen?
Soweit man es bisher weiß, gibt es weder in Hinblick auf die Erkrankung noch im Zusammenhang mit den Medikamenten Besonderheiten in Hinblick auf die Verträglichkeit der Impfung bei PatientInnen mit Rheumatoider Arthritis im Vergleich zur restlichen Bevölkerung.
Wichtig ist auch zu wissen, dass es sich bei allen COVID-Impfstoffen, die derzeit in Verwendung sind, um Totimpfstoffe handelt – diese sind in der Regel gut verträglich. Jeder Mensch mit Rheuma ist individuell, daher empfiehlt es sich, vor einer Impfung das Gespräch mit dem behandelnden Arzt oder der Ärztin zu suchen.
7. Gibt es für Menschen mit Rheumatoider Arthritis bei einer Impfung bezüglich der Medikamente etwas zu bedenken – also muss man etwa speziell zeitlich planen, wann die Impfung stattfindet?
Auch den richtigen Zeitpunkt für die Impfung sollten PatientInnen am besten mit ihrem behandelnden Rheumatologen beziehungsweise ihrer Rheumatologin besprechen. Denn die Empfehlung ist individuell unterschiedlich und kann etwa davon abhängen, wie gut die Rheumatoide Arthritis eingestellt ist.
Prinzipiell gilt die Empfehlung, eine laufende Therapie nicht zu unterbrechen. Die Fragestellung ist aber: Kann die Impfung die volle Wirksamkeit entfalten, wenn jemand ein Immunsystem-beeinflussendes Medikament nimmt? Bisher fehlen hierzu wissenschaftliche Ergebnisse. Im Idealfall antwortet das Immunsystem auf eine Impfung, indem es Antikörper produziert. Die Wirkung der Rheumatoide Arthritis-Medikamente zielt aber darauf ab, das Immunsystem zu bremsen und daher ist es möglich, dass die Antwort auf die Impfung und somit der Schutz, der durch die Impfung entsteht, dann schlechter ist. Auch wenn man hohe Dosen an Kortison einnimmt, kann sich das negativ auf die Impfantwort auswirken.
Dementsprechend ist die Empfehlung momentan, die Impfung zur Sicherheit an dem Zeitpunkt zu geben, an dem der Einfluss der Medikamente auf das Immunsystem am geringsten ist.
8. Kann durch die Impfung ein Schub oder eine Verschlechterung der Krankheit ausgelöst werden?
Theoretisch könnte das schon sein, da bei der Impfung das Immunsystem stimuliert wird. Aus der Erfahrung mit meinen eigenen PatientInnen gibt es einzelne, die sagen, dass sie nach der Impfung die Rheumatoide Arthritis mehr spüren, aber auch mindestens ebenso viele, die keine Veränderung spüren. Das Wichtige ist aber: Sollten sich Symptome verschlechtern, handelt sich dabei um eine vorübergehende Erscheinung, die die Aktivierung des Immunsystems anzeigt. Also man soll daraus nicht ableiten, dass man sich nicht impfen lassen soll, weil dadurch das Rheuma schlechter wird.
9. Was möchten Sie Menschen mit Rheumatoider Arthritis zum Thema COVID-19 noch mitgeben?
In Summe: Man muss sich, weil man Rheuma hat, nicht mehr vor dieser Erkrankung fürchten als andere Menschen. Zwar ist aufgrund der bestehenden Rheuma-Erkrankung schon Vorsicht geboten und es ist umso wichtiger, alle empfohlenen Schutzmaßnahmen gut einzuhalten, aber das ist kein Grund, sich nur noch zu Hause einzusperren.
Da jeder Mensch mit Rheuma individuell ist, bitten wir Sie, in medizinischen Fragen immer Ihren behandelnden Arzt beziehungsweise Ihre Ärztin zu Rate zu ziehen.
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Titelbild: © methaphum / AdobeStock