Von den diversen Begleiterscheinungen der Rheumatoiden Arthritis, die viele Betroffene täglich verspüren, ist neben den Schmerzen oft eine besonders präsent: die ständige Erschöpfung, auch Fatigue genannt. Wir haben mit OA Dr. Raimund Lunzer darüber gesprochen. Er ist Facharzt für Innere Medizin und Rheumatologie im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Graz und kann uns wichtige Tipps zum Thema Fatigue-Syndrom mit auf den Weg geben.
Im ersten Teil haben wir bereits erfahren, was Fatigue ist und wie sie mit Rheuma zusammenhängt. Doch was kann man tun, um der Fatigue entgegenzuwirken? Diese Frage beantwortet Dr. Lunzer in diesem Teil.
1. Lässt sich Fatigue behandeln?
Da die Fatigue mit dem gesamten Krankheitsgeschehen zusammenhängt, ist die wichtigste Maßnahme, um ihr entgegenzusteuern, die verschriebene Therapie einzuhalten. Medikamente wirken zwar nicht direkt auf Fatigue-Symptome, aber sie können die Entzündungen eindämmen und damit Schmerzen reduzieren. Diese Schmerzreduktion wirkt sich positiv auf das gesamte Wohlbefinden und auch auf die Erschöpfung aus. Dabei ist eins besonders bedeutsam: Je schneller Rheuma-Betroffene mit der medikamentösen Therapie beginnen, desto besser.
2. Warum ist es so wichtig, früh mit der Therapie zu beginnen?
Leidet man ständig unter Schmerzen, ist Fatigue vorprogrammiert. So bald wie möglich mit der Therapie zu beginnen ist essenziell, um chronischen Schmerzen und somit auch häufiger Erschöpfung bestmöglich entgegenzuwirken. So haben Studien gezeigt: Je früher man mit der Therapie beginnt, desto schwächer ist die Fatigue.
Beginnt man erst spät mit einer Therapie, kann es unter Umständen vorkommen, dass der Körper ein Schmerzgedächtnis entwickelt. Dann ist es möglich, dass PatientInnen immer noch Schmerzen verspüren und die Fatigue andauert, obwohl die Entzündungen durch die Therapie messbar zurückgegangen sind.
3. Was kann man neben der allgemeinen Rheuma-Therapie gegen die Fatigue tun?
Das Beste, was Sie gegen Fatigue tun können, ist Bewegung. Nachdem die meisten Rheuma PatientInnen häufig unter Schmerzen leiden, ist das aber leider oft leichter gesagt als getan. Durch eine geringe Aktivität verschlechtert sich jedoch oft die Fatigue: So ist man leicht in einem Teufelskreis gefangen.
Trotzdem hat die Bewegung nachgewiesen den größten positiven Effekt auf die Fatigue. Daher bemühe ich mich als Arzt, meine PatientInnen dennoch bestmöglich dafür zu motivieren, selbst wenn ich weiß, dass die Umsetzung nicht immer leicht ist.
4. Stichpunkt Bewegung: Wie intensiv sollte die Aktivität sein? Reicht schon etwas Gemütlicheres wie zum Beispiel ein Spaziergang?
Die gute Nachricht ist: Man muss nicht intensiven Leistungssport betreiben, um Fatigue entgegenzuwirken. Es reicht auch, wenn man regelmäßig Bewegung mit geringerer Intensität in den Tagesplan einbaut. Dabei sind auch Spaziergänge eine passende Alternative.
Besonders gut tut es auch, wenn man den Alltag dabei etwas aufbrechen kann. Unter normalen Umständen empfehle ich meinen PatientInnen daher: Planen Sie von Zeit zu Zeit eine Reise. Beim Erkunden eines neuen Ortes bewegt man sich automatisch mehr und ist aktiv. Das wirkt sich positiv auf das ganze Krankheitsgeschehen und somit auch auf die Fatigue aus. Leider ist dieser Rat momentan eher schwierig umzusetzen, aber das Grundprinzip bleibt: Man sollte sich idealerweise immer wieder aus dem Alltag, den man mit seinem Schmerz gewohnt ist, herauswagen. Mein Tipp ist daher in der jetzigen Zeit: Planen Sie Ausflüge. Auch das reißt einen aus dem täglichen Trott und regt zu Aktivität an.
5. Worauf kann man neben Bewegung noch achten, um Fatigue entgegenzuwirken?
Es gibt durchaus noch weitere Schrauben, an denen man drehen kann, um die Fatigue positiv zu beeinflussen: So kann etwa eine gesunde Ernährung einen wichtigen Beitrag leisten, um die Erschöpfung zu verringern. Da sich das Rauchen negativ auf die Fatigue auswirken kann, ist es ratsam darauf möglichst zu verzichten. Dafür kann sich ein regelmäßiger Schlafrhythmus positiv auswirken.
6. Was würden Sie Rheuma-PatientInnen, die stark unter Fatigue leiden, noch raten?
Als erstes wäre es wichtig, abzuklären, ob es neben der Rheumatoiden Arthritis auch andere Auslöser für die Fatigue geben könnte. So würde ich raten, untersuchen zu lassen, ob Niere oder Leber in der Funktion eingeschränkt sind und ob eine Blutarmut vorliegt. Auch der Hormonspiegel kann eine Rolle spielen.
Viele PatientInnen haben den Impuls, die verschriebene Menge oder Art der Medikamente, die sie einnehmen, selbstständig zu ändern, wenn die Fatigue besonders intensiv ist. Davon rate ich stark ab. Die Therapie ist nämlich wichtig, um die entzündliche Aktivität zu kontrollieren und sollte daher konsistent eingehalten werden. Auch würde ich empfehlen, mit diversen alternativen Angeboten aus dem Internet kritisch umzugehen. Stattdessen empfehle ich, auf fachkundliche ärztliche Hilfe zu setzen.
7. Was kann im Umgang mit der Fatigue helfen?
Auch psychologische Faktoren wie Depressionen können die Fatigue negativ beeinflussen. Daher ist es bedeutsam, dass psychische Belastungen, die durch die Krankheit und Fatigue-Symptome entstehen, ernstgenommen werden. Bei der Krankheitsbewältigung können psychotherapeutische Interventionen, kognitive Verhaltenstherapien und Gruppentherapien eine bedeutende Hilfe bieten. Die positive Wirkung dieser Maßnahmen wird häufig unterschätzt. Als konkretes Beispiel kann man die Hypnose nennen, mit deren Hilfe Fatigue-Symptome bei einigen PatientInnen gemindert werden können.
Zusammenfassend kann man sagen: Das eine Patentrezept gegen Fatigue gibt es nicht, denn dafür ist sie zu komplex. Dennoch lässt sich einiges tun, um ihr entgegenzuwirken. Dabei ist es wichtig, einen ganzheitlichen Ansatz zu wählen und möglichst alle Faktoren miteinzubeziehen, die Fatigue beeinflussen können.
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Titelbild: © fizkes / AdobeStock